Ple­bis­zit zur Ver­fas­sungs­än­de­rung in Russ­land: Kein Zeichen von Stärke

Zur jüngs­ten Ver­fas­sungs­än­de­rung in Russ­land erklä­ren Marie­luise Beck und Ralf Fücks (Zentrum Libe­rale Moderne):

Mit den jüngs­ten Ver­fas­sungs­än­de­run­gen hat der Kreml eine weitere Etappe zu einem immer auto­ri­tä­re­ren Staat zurückgelegt.

Die Abwen­dung von demo­kra­ti­schen und rechts­staat­li­chen Prin­zi­pien sowie inter­na­tio­na­len Stan­dards hat nun die Ver­fas­sung erreicht. Sie folgt auf eine lange Reihe von Wahl­ma­ni­pu­la­tio­nen und der poli­ti­schen Gleich­schal­tung der Duma, der Umwand­lung des Fern­se­hens in ein Instru­ment staat­li­cher Pro­pa­ganda und der Ver­ab­schie­dung von dra­ko­ni­schen Geset­zen, die sich gegen kri­ti­sche Medien und die demo­kra­ti­sche Zivil­ge­sell­schaft richten.

Putins fak­tisch unbe­grenz­ter Macht­er­halt, die weitere Stär­kung des Prä­si­den­ten­am­tes bei gleich­zei­ti­ger Schwä­chung der Gewal­ten­tei­lung, das natio­nal­kon­ser­va­tive Nar­ra­tiv des Kremls und seine staat­lich ver­ord­nete „his­to­ri­sche Wahr­heit“, die Ein­ver­lei­bung der Krim und das Außer­kraft­set­zen des inter­na­tio­na­len Rechts – das alles wurde durch die Ver­fas­sungs­än­de­rung zemen­tiert. 

Die Ände­run­gen beinhal­ten auch den Vorrang der Ver­fas­sung vor dem Völ­ker­recht. Damit wird ver­fas­sungs­recht­lich fest­ge­schrie­ben, dass sich der Staat durch die Ent­schei­dun­gen des Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hofs nicht gebun­den sieht. Putin stellt Russ­land damit außer­halb der Sta­tu­ten des Euro­pa­ra­tes, nachdem der Kreml so viel Wert darauf gelegt hat, als voll­be­rech­tig­tes Mit­glied in diese Insti­tu­tion zurückzukehren.

Die neuen Rege­lun­gen wurden ohne breite gesell­schaft­li­che Dis­kus­sion von der Duma ver­ab­schie­det und vom Prä­si­den­ten unter­schrie­ben, bevor sie nun von der Bevöl­ke­rung inmit­ten der gras­sie­ren­den COVID-19 Pan­de­mie abge­nickt werden durften, beglei­tet von einer mas­si­ven Kam­pa­gne der staat­li­chen Medien und ver­zu­ckert durch eine Reihe sozia­ler Ver­spre­chun­gen. 

In einer Zeit, in der Putins Popu­la­ri­tät sinkt, setzt der Kreml auf eine weitere Zen­tra­li­sie­rung der Macht und schürt die Furcht von Teilen der Bevöl­ke­rung vor poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen, die als Bedro­hung natio­na­ler Einheit und Sta­bi­li­tät dar­ge­stellt werden.

Für alle, die sich für Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit in Russ­land ein­set­zen, ist diese Ent­wick­lung ein wei­te­rer Rück­schlag. Wir bezwei­feln aber, dass diese Abstim­mungs­farce vor dem Hin­ter­grund mas­si­ver Mani­pu­la­tio­nen und wach­sen­der wirt­schaft­li­cher Pro­bleme des Landes die vom Kreml erhoffte Legi­ti­ma­ti­ons­wir­kung haben wird.


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